Fortsetzung "Sandbank"

Die See ist ruhig und spiegelglatt nach einer Meile. Der Außenborder dröhnt und für mich geht es nur darum, die 65 Meilen sicher hinter mich zu bringen. Ich habe die donnernde Brandung in Sichtweite, sie flößt mir Respekt ein. Ich weiß ... wenn ich ihr zu nahe komme, wird mein Boot das nicht überleben und ich selbst habe nie zuvor eine derartige Brandung durchschwommen. Sie ist so laut, selbst in einer Meile Entfernung, dass ich sie hören kann trotz des lauten Geknatters meiner Antriebsturbine. Ich kann es kaum fassen, denn als Sabrina letztes Jahr auf dem zweiten Rumpf direkt neben mir saß, konnte ich nicht hören, was sie sagte, während der Außenborder lief. Hier draußen bin ich scheinbar sicherer. Mein Boot ist eine Insel die sanft und sicher zu mir hält. Stunde um Stunde ist es monoton, ohne Segel und Welle unterwegs zu sein. Nach 40 Meilen, werden meine Gedanken plötzlich unterbrochen. Ein neues Geräusch ... was ist das? Erst nach einigen Augenblicken realisiere ich, dass ein Hubschrauber über mir kreist. Er ist weiß und hat eine große Nummer auf seinem Bauch. Er sieht irgendwie nicht millitärisch aus. Auf seiner zweiten Runde kommt er mir näher und ist direkt über mir. Ich sehe, dass die Piloten irgendwelche Handbewegungen machen, kann aber nicht erkennen, was sie wollen. Schnapp Dir das Fernglas, Andreas, und zeige ihnen an, dass sie eine dritte Runde fliegen sollen. Es klappt ... sie kommen zurück. Meine Segel ballern hin und her, als gäbe es eine Olympiade fürs Halsen. "Go back...Go back" Mit dem Glas kann ich deutlich erkennen, dass die Männer da oben meinen Rückzug mit 50


Weit ist die See ...

Ausrufezeichen dahinter bevorzugen. Aber warum nur? Ist ein Unwetter im Anmarsch und Arcachon nicht anzulaufen? Sie zeigen ein Pappschild mit der Aufschrift "CH 6" und meine Arme machen ihnen deutlich klar, dass ich kein Funkgerät an Bord habe. Ich beschließe erstmal stehen zu bleiben, der Hubschrauber dreht ab. "Sie haben Dich auf dem Radar, Andreas ... denk nach ... denk nach!!!" Unmöglich für mich die 40 Meilen zurück zu gehen. Es ist 14 Uhr, das würde ich nicht mehr schaffen. Tinuca!!! Ich rufe Tinuca in Laredo/Spanien an. Sie wird Antonio den Hafenmanager anrufen. Ich weiß um seine Kontakte nach Mutriku und das der dortige Chef der Marina "Oriol" Kontakte nach Frankreich hat. Eine Telefonkette!!! Und los gehts. In nur 6 Minuten habe ich halb Europa in Bewegung. Sie alle machen sich wirklich Sorgen und ich bin heilfroh, dass sie alle für mich da sind, wenn ich sie brauche. Zeitgleich kommt wie aus dem Nichts plötzlich ein schneller Katamaran von der Seeseite. Die Marine hat ihn über Funk kontaktiert. Er war mir am nächsten. Die Männer sind überaus freundlich und befehlen mir, 1,5 Meilen zurückzugehen. Ich bin in einer aktiven Schußzone der Marine. Scheiße!!! So schnell wie ich kann, bekommt Tinuca in Spanien Entwarnung, um die Telefonkette zu stoppen. Auch das klappt.


Durch den Kanal von Arzal

Zusammen gehen wir auf Ruheposition in 1,5 Meilen Entfernung. Nach nur 15 Minuten geben die Männer grünes Licht. Ich kann weiter und bedanke mich artig. Hoffentlich kriege ich diesmal nicht einen auf den Sack in Arcachon, denn mittlerweile bin ich ja fast schon Bestandteil der Schießgebiete in Europa.
Der Tag ist weiterhin ruhig. Mein Blick wird sorgenvoller, als ich schließlich um 19 Uhr 30 die erste Ansteuerungstonne von Arcachon erreiche. Der Himmel wird schwarz. Nicht einfach nur Schwarz ... was da gerade über mir entsteht, ist eins der schwersten Gewitter, die ich in meinem Leben bisher gesehen habe. Warum mir das nun gerade an einer der berüchtigsten und gefährlichsten Ansteuerungen Europas passieren muss ist mir ein Rätsel, aber es nützt nichts. Da muß ich jetzt durch!!! Die Wolkenwand formiert sich, es geht gleich los. Aus welcher Richtung die starken Böen kommen werden, kann ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausmachen. Es ist um mich herum. Was ich sehe, ist Brandung in der Einfahrt und ich bin geschockt. Da soll ich hindurch??? Ich habe die betonnte Einfahrt in meinem Fernglas. Um Himmels Willen ... da ist überall Brandung. Ach du Scheiße ... ach du Scheiße!!! Ok ... alles festmachen, was an Deck liegt ... jetzt muß ich schnell sein. Keine Fehler machen. Ich stopfe mir die Abdeckhaube für den AB in meine Jacke. Wenn ich in einer brechenden Welle in den Surf muß, werde ich den Außenborder mit schnellen Griffen einpacken vorher, damit er mich nicht absäuft. Für einen Augenblick wird er auf Kühlung verzichten können.


Was wird das geben?

Wir werde sehen ... los geht`s!!! Ich habe Glück, die ersten Böen erreichen mich aus West und ich werde über das mittlerweile mit 3 Knoten Geschwindigkeit auslaufende Wasser von Arcachon gedrückt. Der Himmel ist schwarz, vor mir taucht die berüchtigte gelbe Gewitterwand auf. In ihr steckt der Regen und die Gewalt. Der Wind wird stärker und stärker. Im ZickZack Kurs geht es zwischen den Brandungen hindurch. Mit bis zu 10 Knoten über Grund, trotz 3 Knoten Gegenströmung. Die Stagverankerung des vorderen Mastes reißt. Ich war nicht schnell genug mit dem Achterstag, der Kram bleibt stehen, ich kann nicht mehr aufstehen um irgendetwas zu regeln. Was jetzt fliegt, das fliegt. Der Außenborder ist schon lange aus. Er hatte kein Benzin mehr und war hochgeschlagen. Ich kann nichts mehr sehen ... es regnet Fußbälle ... die Luft ist von einem dichten, gelben Schleier durchzogen ... muß die Tonnen im Auge und das Boot auf Kurs halten. Die Einfahrt zieht sich, aber plötzlich merke ich, dass es überstanden ist. Die See wird ruhiger ... ich bin über den Knackpunkt hinweg. Um 21 Uhr erst, bin ich im Innenbereich des Bassins. Die Sicht ist so schlecht, dass ich den Hafen nicht mehr finden würde. Erst als die Brandung ruhiger wird, fahre ich auf einen Strand auf und weiß, dass ich trotz Müdigkeit nicht schlafen gehen kann.


Mein Vortrag in Laredo

Ich sehe die Hochwassermarke am Beton vor dem Strand. Das Wasser wird mit Atlantikschwell wiederkehren in der Nacht und mein Boot vernichten, wenn ich nicht aufpasse. Ich bin durchnass und wechsele als erstes meine Kleidung und prügele mir eine halbe Flasche Wein in den Kopf. Das tut gut!!!
Mit Zwiebelklamotten am Körper, liege ich im viel zu engen Cockpit der Kajaks und habe die Plastikplane über dem Kopf. Nur eine Stunde schlafen ... bitte nur eine Stunde. Nach wenigen Stunden ist das Wasser plötzlich wieder da. Das Geräusch der Wellen macht mich wach. Mein ganzer Körper schmerzt und zittert. Das Boot schlägt sofort quer. Die Wellen sind höher als gedacht, obwohl es ruhig ist. Alles ist wieder nass. Mit einem starken Schub gehe ich in das Dunkel der Nacht. Ich kann eine Mooringboje ausmachen. Wieder Klamottenwechsel und ab unter die Plane. In ein paar Stunden wird es hell, dann entere ich den Hafen von Arcachon.
Ich habe da draußen an der Küste Dinge gesehen, die ich nicht nocheinmal sehen muss. Selbst wenn Du mir Tausend Euro in die Hand drückst. Wenn Du du drinnen steckst, dann steckst Du eben drinnen.


Die Hafeneinfahrt von Saint Malo

Heute ist Dienstag, der 25. Juni 2013 Saint Malo

Nachdem ich die Sandbank vor Royan gefahren habe und ein Hochseeschlepper mich dabei beobachtet hat, um zu sehen, ob ich es schaffe ... nachdem Dieter der Heilbronner mein Boot in Saint Nazaire mit seinem 30 Tonnen Motorboot in einem U-Boot Bunker fast geschrottet hätte und meine Tour somit beendet wäre, habe ich den Kanal von Arzal nach Saint Malo gefahren. Einfach nur etwas Urlaub machen. Einfach nur etwas Urlaub machen? Wenn ich euch das alles erzähle, fallt ihr auf den Rücken. Diese Tour ist jeden Tag neu.

Ich bin unterwegs nach Hause!!!