Fortsetzung "Nur 5 Menschen"

und Behaglichkeit ihrer Kinderzimmer, durch dessen Fenster man den Regen beobachtet, während es von irgendwo nach Kaffee riecht. Heute Morgen habe ich eine Informations-SMS meines Telefonanbieters bekommen und einfach angefangen zu weinen. Warum? Ich denke, dass es die Vertrautheit ist ... vielleicht stellt sich mein Gefühl die mir vertrauten Menschen vor, die ich mit meinem Telefonanbieter in Verbindung bringe. Es ist verrückt ... ich weiß, aber ich habe auf dieser Reise etwas ganz besonderes gelernt: Ich habe gelernt zu weinen.

Es ist mir sogar egal geworden, dabei ertappt zu werden. Ich bin nur ich ... muß mich nicht erklären dafür, denn diese Reise hat natürlich zwei Seiten, die nur ich für mich selbst empfinden und durchleben kann. In der Hauptsache wird man von mir ausschließlich positives Material lesen, da es mein Naturell wiederspiegelt, aber heute ist der göttlich richtige Zeitpunkt für die andere Seite, und auch ich bin nicht immer befreit von ihr.

Sich 24 Stunden am Tag selbst gedanklich zu kontrollieren, um erfolgreich weiter zu kommen auf so einem Weg, ist Schwerstarbeit. Ohne Geld und Bankkarte darauf zu vertrauen, dass es trotzdem weitergeht, irgendjemand aufklatscht mit 10 Euro ... Wurst oder Benzin, Getränken oder Obst ... das ist Stress. Jeder Tag auf See ist neu und doch ist eines JEDEN TAG gleich: Mein Gefühl der Anspannung in Bezug auf das mir Unbekannte Gewässer. Wo lande ich? ... wie lande ich? ... bei wem lande ich? In Gefahrensituationen ruhig zu bleiben ... sich nicht von irgendetwas leiten zu lassen, sondern in jedem Moment alleine die richtige Entscheidung zu treffen. Es ist gar nicht einmal so, dass ich nun unsicher darüber nachdenke, aber es ist Anspannung pur bis in die letzten Poren des Körpers.
JEDEN TAG!!!

Einerseits ist die Energie dieser Reise so sehr kraftvoll, dass ich mir um eine gute Generationsarbeit absolut sicher bin, andererseits aber bedeutet sie mir in diesen Momenten leider auch unsagbar viel Verlust. So sehr ich in Zukunft davon zehren werde für meine Familie, so sehr ist doch jetzt jeder ihrer Schritte von mir verpasst und ich spüre es wie Messerstiche. Oh Gott ... wenn ihr wüsstet, wie sehr ihr mir alle fehlt. Ihr müßtet gar nichts sagen ... einfach nur neben mir sitzen, oder das tun, wonach euch ist.
Danke, dass es euch gibt!!!

Sonntag, der 19.August. Von Cascais nach Peniche

Der Morgen ist nebelig und eigentlich ist es zu gefährlich zu starten. Wider Erwarten legt er sich um 9.30 Uhr und ich entscheide mich, die 40 Meilen zu gehen. Nach nur 5 Meilen ist er wieder da und soll sich an diesem Tag auch nicht mehr entfernen. Eine Blindfahrt, die in ihrer anstrengenden Art wohl kaum zu beschreiben ist. Mein Kopf rotiert permanent in 360 Grad, um kein Schiff zu verpassen, dass unter Umständen plötzlich aus dem Nebel vor mir auftauchen kann. Nur manchmal schimmert die Küste mit ihrer Brandung etwas durch, und eigentlich bin ich zu dicht dran, denn auch vorgelagerte Felsen können mir hier sehr schnell den Garaus machen. Immer wieder tauchen vor mir die Fischereibojen auf, an denen wohl irgendwelche Fangkonstruktionen hängen mögen. Ich stelle mir vor, dass ich mich auf dieser Fischerlinie im Abstand zur Küste auf einem gesichertem Pfad bewege. Würden die Fischer sich freiwillig zu nah an gefährliche Felsen heranwagen mit ihren Netzen oder Fanggerätschaften?

Die Sicht geht später unter 50 Meter und der Tag ist unglaublich anstrengend. Das darf doch alles nicht wahr sein, was für ein Nebel!!! Peniche ist wie ein Pickel vorgelagert und als Hafen in dieser Situation etwas leichter anzufahren. Ich beschließe etwas Kursversatz, um nicht aus Versehen daran vorbei zu fahren. Zwei Fischerboote und ein "weißer Katamaran" passieren mich in der dichten Suppe an diesem Tag, als mir mein GPS in der untergehenden Sonne plötzlich sagt: " Meister?...Wir sind da!" Nicht sehr nett, wenn die Koordinatengenauigkeit die Sichtweite zu unterbieten versucht. Gehe vorsichtig weiter ... die Sicht geht mit der heranrasenden Dunkelheit im Nebel Richtung Null ... plötzlich Brandung!!! Noch 3 Wellen und ich werde auf den Sand geschmissen ... plötzlich sehe ich einen Badegast vor mir. Ich schreie: "Harbour??? ... Porto???" ... er zeigt nach links ... schnell raus aus der Brandung folge ich ihr jedoch parallel, bis nach nur einer Minute plötzlich die dunkle hohe Hafenwand im Dunst vor mir auftaucht. Was für ein unheimlicher Moment!!!

Folge der dunklen Erscheinung ... eine Angelsehne hängt plötzlich im Mast ... kriege sie weg ... eine Zweite ... das schwere Blei schnallzt mit voller Wucht gegen meine Brust, der Angelhaken bleibt in meiner Hand stecken. Weg damit ... nur nicht die Hafenwand verlieren. Da!!! Die grüne Einfahrtstonne!!! Über 30 Minuten taste ich mich in nur zwei Metern Entfernung zu den Gemäuern durch das Hafenbecken, vorbei an Fischerbooten und einem gekenterten Pott, bis plötzlich vor mir Masten und Schwimmstege auftauchen. Doch meine Arbeit ist noch nicht zu Ende. Ein Polizist, der Einzige, der hier noch Gäste in Empfang nimmt zur Aufnahme der Personalien. "Auf dem Steg zelten? ... unmöglich!!!x" sagt er und steht mehr als 25 Minuten mit verschränkten Armen neben mir um zu überlegen, was er in seinem Rahmen zu entscheiden vermag. "Für derlei Dinge hast du dir einen schlechten Platz ausgesucht, man versteht hier keinen Spaß" ... mache Scherzchen ... klopfe seine Schulter ... kann vor Müdigkeit und Hunger kaum noch stehen.

Ende vom Lied: Zelten auf dem Steg direkt vorm Polizeiboot. Während der eine Polizist mich einweiht in die Geheimnisse seiner "60 Knotenschüssel", holt der andere mir doch tatsächlich zu dieser späten Stunde noch eine warme Mahlzeit.
Gute Arbeit, Andreas ... vielen Dank ihr Zwei ... gute Nacht!!!

Heute ist Dienstag, der 28. August 2012

Ich befinde mich auf einer Tour, die nicht nur ein Abenteuer ist. Sie ist Jekill and Hyde und vieles mehr. Bei meiner Anfahrt auf Aveiro wollte der Motor nicht mehr. Strömung, Wellen und der abflauende Wind haben das Aufkreuzen der letzten 6 Meilen nicht einfach gemacht. Um 21 Uhr noch habe ich mich entschlossen, einen 3-Meilen- Schlag Richtung Amerika zu machen, um einen anderen Winkel zur Hafeneinfahrt zu kriegen. Sabrina hat mich um Mitternacht von Zuhause aus durch das schwierige Flussgebiet zum Steg gebracht. Danke dafür!!!!

Meine Stimmbänder haben etwas Schaden genommen. So habe ich das Wasser noch nie zuvor angeschrien :-) Entschuldigung dafür!!!