Fortsetzung "Koray"

bereits sind die ersten Häuser da, das Wasser ist blau und du spürst diese 17 Millionen Menschen tatsächlich, wie sie auf dich zukommen. Nach sechs Meilen schwinge ich mich ich nach vorne, um die Fock runter zu nehmen, weil sie bei achterlichen Winden eh nur nervt und überflüssig ist. Als bei 7 Knoten Fahrt in diesen unglaublichen Farben zwischen all`diesen Häusern (die Hauser, die am Bosphorous entlang liegen, heissen "YALI"s und die herrschaftlichen Hauser, die ein wenig dahinter liegen heissen "KONAK") und meiner Segeltucharbeit auf dem Bug plötzlich der Imam in ohrenbetäubender Lautstärke durch die Lautsprecher ertönt, fällt mir vor lauter Kulturschockerei fast der Ausguck vom Mast!!! Ganz im Ernst Leute,das war unglaublich schön und ich bin glücklich darüber, dass ich diese sehr besondere halbe Minute so intensiv wahrgenommen habe und erleben durfte. So etwas vergisst du dein Leben lang nicht mehr!!! Ich bin etwas aufgeregt in diesen Momenten und unglaublich schnell unterwegs... "oooh verdammich...da kommt ja schon das nächste Meer...die Moscheen...was mach ich nur???" Kanister fällt in Wasser...Fähre von Steuerbord...Fähre von Backbord...Frachter von vorne und von hinten...kappelige See auf einmal...Ich musste hier einen Schlafplatz finden, um einzuklarieren. Aber wo nur? Wohin? Zwischen 17 Millionen Menschen an der Kaimauer pennen? Unmöglich! In einer Stunde wäre das Boot vom Frachterschwell zerschlagen worden oder ich von hunderten von Angelhaken gepierct und zerfetzt. Überall Kaimauer oder private Plätze. "Zurück Andreas, du musst zurück...da war so ein Mooringhafen mit gepflegtem Ambiente auf der rechten Seite,erinnere dich!"

Ich finde ihn tatsächlich wieder und will einfach nur festmachen...an Land sein... in Ruhe nachdenken, was jetzt zu tun ist. Viele Leute gucken und wundern sich über diese bärtige Flitzpiepe... Ich springe an Land und breche ersteinmal zusammen. Was mache ich nur jetzt??? Oben ohne, Klitschnass und meine Mama irgendwie nicht greifbar. Ich blicke mich um...drei Eingeborene im Park auf dem Rasen...ich sehe Bierdosen und Zigaretten. "Ja", grinse ich in mich hinein. "Dein Erstkontakt!" Versuche es auf Türkisch...keine Antwort...Englisch...Fehlanzeige! Wir rauchen eine mit wirrem gestammel...bekomme Bier..einer von den drei angetrunkenen, aber wahrlich netten Männern geht mir ein Sandwish kaufen. Meine Lage entspannt sich mit jedem Schluck Efes. Schnappe mir einen Sicherheitsbeamten. "Do you speak english?" Er blickt mich nur an. Ich zeige auf den Boden... "where I am? New York? Hamburg? Paris?" Er versteht mich jetzt... "Bebek" antwortet er. Aha, ich bin also in Istanbul Bebek".



Wie konnte ich in diesem Moment ahnen, dass ich zeitlich nur unweit mit 250 Menschen sprach und um 160 türkische Lira reicher war? Unter der Dusche von Nergis Yazgan, der türkischen Gründerin von WWF International stehen würde? Meine Wäsche in ihrer Maschine ein Schleudertrauma bekam? Wir schlendernder Weise zusammen bei IKEA herumbummeln würden?
Wie konnte ich ahnen, dass Ermin Emre, der Fotograf, dafür Sorge trug, dass meine Benzinkanister sich füllten? Er bereits 1,5 Stunden später mit mir in einem Einkaufscenter stand und sagte: "Nimm dir alles, was du brauchst!" Dass er mich durch halb Istanbul verfolgte, mich überall suchte um mir beim einklarieren zu helfen?
Wie konnte ich ahnen, dass mir Ömer F. Beskardes, der Architekt, einen Teil seiner Lebensgeschichte anvertraute auf herrausragend sympathische Art und Weise. Dass er begeistert zu mir sagen würde: "Es ist ein Glück, dass ich dich getroffen habe Andreas, vielen Dank für die Inspiration und Gott möge dich beschützen für immer." Das auch er mit mir durch die Stadt fuhr um mir zu helfen?



Wie konnte ich ahnen, dass mich zwei Textilmogule zum Abendessen einladen würden? "Du bist unglaublich mutig und verrückt", offenbart mir einer von ihnen. "Und ich mache mir seit Wochen in die Hose, nur weil ich demnächst mit dem Auto geschäftlich nach Deutschland fahren muss. Das ist total irre, was du da machst!!!" sagt er und bittet mich, ihn zu therapieren.

"Transit Lock" heißt ein Papier, das du als "Yachteigner" :-) Hö hö!!! benötigst, wenn du die Türkei auf dem Wasserweg durchfährst. Kostet 125 Euro :-) Diese Nummer hat mich etliche Haare gekostet :-)Ein Glück, dass mich der junge Ziyat zu der zuständigen Behörde bringen kann. Wir überlegen beide, dass es besser ist, wenn er draußen wartet, um nicht in Verantwortlichkeit gezogen zu werden. Wer konnte schon ahnen, dass mich diese Behörde nach meiner durchaus gelungenen Vorstellung in die Kantine verfrachtet :-) Mir ein Carepacket mit auf die Reise gibt? Eine hübsche, englischsprachige Angestellte zu mir an den Kantinentisch kommt, während ich mir die Hähnchenknochen und das Fett aus dem Bart wische, um mir zu sagen: "OK, it is free for you!"? Das Ziyat während dieser 1,5 Stunden draußen in der Hitze zu Dörobst mutierte, war der bitterste Beigeschmack an diesem Tag. Dank Ramadan durfte er noch nicht einmal Wasser zu sich nehmen, während ich mir das rülpsen draußen kaum noch verkneifen konnte. Aber ich glaube er war nicht ernsthaft böse, nachdem ich mich erklärte.



Auf dieses Trans Lock müssen 4 Stempel. Du musst die Behörden in der richtigen Reihenfolge abklappern, sonst schicken sie dich wieder weg. Die Reihenfolge wird unterschiedlich ausgelegt. Diese Häuser liegen 30km auseinander. Öffnungszeiten heißt hier nicht, dass offen sein muss. Auf den Schildern der Offices steht jeweils "Ürügli purute Isitek", oder auch mal anders:-)) Wenn ich das hätte alleine regeln müssen, wäre es lohnenswert gewesen, dass ich mich erst nach einer Wohnung umsehe. Danke Emre, Ziyat und Ömer! Danke, Danke,Danke!!!!!!!!!!!!

Was mir hier entgegenschlug in Istanbul, bestätigt mich. Es bestätigt meinen Weg, mein Herz und meine Botschaft, die verstehen kann, wer sie verstehen möchte. Mit Nergis, Emre, Ömer und Ziyat bekommt diese Reise ihre erste Krone aufgesetzt. Wunderschöne Menschen sind das. Jeder auf seine ureigene Art!!!

Heute ist Montag der 29. August 2011, Bebek, Istanbul und morgen früh wird es wieder Tränen geben.

Sabrina Most sitzt mit weltweitem Kartenprogramm und Wetterdaten zuhause immer in den Startlöchern. Sie ist mein "Operator" und an Zuverlässigkeit und Genauigkeit sicherlich kaum zu toppen. Jedes Kriegsschiff oder U-Boot würde sie mit Kusshand in die Navigationsstube verfrachten. Sie ist für mich Sicherheit und mein Auge im Nebel. Vielen Dank, ohne dich geht es nicht!!!:-)

Weiter geht`s...